Working Together in der Kunst der nächsten Gesellschaft?, 2010 |
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"Kollektive lassen sich nicht so schnell umblasen." |
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Interview mit dem Galeristen Boris Abel am 28.7.2009 in der Galerie ABEL Neue Kunst, Sophienstr. 18, 10178 Berlin Die Galerie Abel Neue Kunst wurde 2000 mit einer symbolischen Grundsteinlegung durch die Bewegung NURR gegründet. http://abelneuekunst.de Bewegung NURR, 1989 in Dresden von Alekos Hofstetter, Christian Steuer und Daniel H. Wild gegründet, seit 1996 in der Besetzung Hofstetter, Steuer und Lokiev Stoofhttp://abelneuekunst.de Ziel: programmatisch orientierte Gruppenproduktionen (Malerei, Video, Installation) mit kollektiver Autorenschafthttp://abelneuekunst.de "...uns hat mehr interessiert, wie man uns als einem Kollektiv begegnet. Was sagen die anderen dazu? Manchmal hat man den Eindruck, es wird bei einem Kollektiv immer ein subversiver Touch erwartet. Die Frage nach der Möglichkeit von Subversion ist auch immer eine Frage nach der Herleitung des Begriffs. Meistens wird in der bildenden Kunst das, was nicht passt, passend gemacht und es reduziert sich auf eine Vermarktungs- und Deklarationsfrage." (Daniel H. Wild, 2000) http://nurr.net 2003 Gründung der Künstlerinitiative S-FOR mit gemeinsamer Kunstsammlung http://s-for.de ![]() Illustration: Anja Wenzel, 2010. Quellen: Wikimedia Commons: capitels decorated with scenes of travellers, gare de Metz, archimatth, 2009; focul viu, in Terca, romania, melania, 2009; sea water solidifying into a creator, timeastor, 2009. Anmerkung: Die Fragen und Antworten wurden in der Nachbearbeitung thematisch strukturiert und folgen nicht der Chronologie des Gespräches. Zur Entstehung eines Kollektivs Man ist befreundet, hat ähnliche Interessen und entscheidet zusammenzuarbeiten. Ich glaube nicht, dass man eine Kollektivgründung aus der Retorte schaffen kann. Aus meiner Erfahrung muss es eine gemeinsame Biografie geben. Zu Erfolgsparametern Die Entscheidung, als Kollektiv arbeiten zu wollen, hat eine längerfristige Perspektive. Das Potential von Künstlergruppen ist, dass sich Künstler mit unterschiedlichen Ausbildungen und Schwerpunkten zusammen tun und sich gegenseitig befruchten. Kollektive arbeiten sehr oft in unterschiedlichen Medien. Man kann ein breites Spektrum abdecken. Wir zeichnen als gemeinsame Autoren, keiner kann heraus gebrochen werden. Es geht nicht immer ohne Streit. Zumindest sollte die Möglichkeit existieren, dass man sich zusammenrauft und ein neues Projekt initiiert. Wenn etwas schief geht, können die anderen einen auffangen und sagen, wir machen jetzt woanders weiter. Das ist ein ungeheuer positives Potential. Das gemeinsame Arbeiten und die Veränderung im Prozess sind sehr fruchtbar. Die Stärke von Kollektiven ist die Vielfältigkeit im Ansatz, im Denken und im Umsetzungsprozess. Kollektive lassen sich nicht so schnell umblasen. Zu Anforderungen an kollektives Arbeiten Kollektives Arbeiten erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Mit Selbstdisziplin ist gemeint, den Standpunkt der Anderen zu berücksichtigen. Es muss gewährleistet sein, dass jeder sich einbringen kann und nicht einzelne die Gruppe dominieren. Wenn es nicht die entsprechenden Mechanismen gibt, kann die Gefahr existieren, dass die Starken die Ressourcen der Anderen in der Gruppe mitnutzen und dazu verleitet sind, die Gruppe zu dominieren. Zur Aufgabenteilung Man einigt sich vorab, wer für welchen Bereich verantwortlich ist: wer stößt die Projekte an, wer übernimmt die Projektkoordination. Dabei sind Textarbeit oder die Pflege der Beziehungen zu anderen Künstlern auch Aufgaben, die jemand übernehmen muss. In einem Kollektivwerk kommen unterschiedliche Medien zum Einsatz: Malerei, Skulptur, Installation, Video, Fotografie. Die Idee wird gemeinsam entwickelt, die Umsetzung wird aufgeteilt. Zum Austausch Sogar unter den heutigen technischen Bedingungen von E-Mail und Skype sind persönliche Begegnungen sehr wichtig. Ohne regelmäßige Treffen, in denen die Künstler ihre Standpunkte, Fragen und Probleme besprechen können, ist es schwierig. Es gibt permanent den Austausch, auch bezüglich der Umsetzung. Ständig werden Bilder hin und her geschickt, man reist gemeinsam oder guckt sich dieses und jenes an... Zu kollektiven Arbeitsabläufen Gemeinsames Denken funktioniert über Sprache und über Bilder. Man sitzt gemeinsam am Rechner, jemand entwirft eine Zeichnung, die anderen reagieren und machen Ergänzungen. Zu Entscheidungsprozessen Es gibt einen gemeinsamen Diskussionsprozess der Umsetzung: Passt das? Funktioniert das? Sind wir alle damit einverstanden? Es funktioniert nur nach dem Konsensprinzip. Zur kollektiven Autorenschaft Sowohl der Arbeitsprozess ist ein gemeinschaftlicher als auch schlussendlich die Autorenschaft. Entscheidungen werden zusammen getroffen und für das Ergebnis wird kollektiv eingestanden. Zur Auflösung eines Kollektivs Wenn einem Kollektiv die Ideen ausgehen, dann ist klar, dass es sich sehr schnell auflösen wird. Die Frage ist, wie sehr man überein stimmt und wie stark sich die künstlerischen Gegensätze befruchten, um gemeinsam eine interessante künstlerische Arbeit zu bewerkstelligen. Bei Künstlerkollektiven gibt es immer Veränderungen: entweder in der eigenen künstlerischen Auffassung oder in der Zusammenarbeit, weil sich gemeinsame Interessen erschöpft haben. Wenn sich die persönlichen Lebensumstände der einzelnen Mitglieder durch Familienzuwachs oder durch berufliche Umstände verändern, kann eine weitere gemeinsame Arbeit schwierig werden oder auch zur Auflösung des Kollektivs führen. Zu Kollektivalternativen Alternativen sind Künstlerinitiativen und Produzentengalerien. Das sind interessante Formate, die lockerer aufgestellt und auf Einzelpersonen ausgerichtet sind. Zur Vermittlung von Kollektivkunst auf dem Kunstmarkt Wie ein Kollektiv arbeitet, kann sich das Publikum nicht gut vorstellen. Bei einem Kollektiv muss man immer erklären, wie es arbeitet. Wie funktioniert es, wer ist für was verantwortlich? Die Vielfalt des Arbeitsprozesses und der Medien brauchen eine bestimmte Vermittlungssituation. Die Vermittlung wird schwieriger, je mehr sich das Werk anreichert und es nicht mehr eindeutig ist. In der Vermittlung ist es wichtig, die Vorteile und das Herausragende der Arbeit im Kollektiv hervorzuheben. Ich versuche diejenigen Punkte zu vermitteln, die die hohe Produktivität betonen. Das interessante bei NURR ist, dass sie in unterschiedlichen Bereichen tätig sind, in einer Bandbreite von Skulptur über Malerei bis zur Animation. Der persönliche Kontakt spielt für Sammler immer eine wichtige Rolle. Die Bewegung NURR einigt sich, dass nur einer oder zwei zu den Terminen gehen. Atelierbesuche finden nicht statt, da es kein gemeinsames Atelier gibt. Wie wird sich die Künstlergruppe entwickeln? Wird sich ihr Ziel verändern oder gibt es sie womöglich nicht mehr? Darauf müssen sich die Sammler einstellen. Bei Galerieverträgen gibt es meistens die 50%-Regelung: 50% für den Galeristen und 50% für die Künstler. Die Künstler teilen sich gleichberechtigt ihren Anteil. Zu Risiken Der dynamische Prozess ist eher ein Risiko für die Künstler, die im Kollektiv arbeiten. Manche haben Schwierigkeiten, mit drei Personen zu kommunizieren. Eine Gruppe stellt eine gewisse Macht da. Ein Kurator muss damit zurechtkommen. Zu Besonderheiten Unter den Kuratoren und Galeristen gibt es diese Entdeckerfreude. Die gehört zum Beruf dazu. Es gibt unterschiedliche Sensibilitäten, wie man mit Kuratoren arbeitet. Jeder Künstler kann da seine spezifischen Stärken einbringen. Man kann als Künstlerkollektiv auch mit einem Projektleiter zusammen arbeiten, der dann hierfür entlohnt wird. Zur Schnittmenge Galerie - Kollektiv Als Galerist muss ich nicht Mitglied in der Künstlergruppe sein, da ich auch andere Künstler vertreten muss. Ich würde eine Galerie kaum als Kollektivbetrieb bezeichnen. Es gibt Kollektivmodelle wie die Produzentengalerien. Meine Erfahrung ist, dass sich der Kollektivgedanke hier nur über einen gewissen Zeitraum bewährt. Es gibt Fälle, in denen die Künstler den Messestand mitbezahlen. Bei kommerziellen Galerien schließt sich das meiner Ansicht nach aus. Ein anderes Modell: Jeder zahlt in den Topf ein. Davon werden die Messen gezahlt und bei Verkäufen fließt das Geld wieder zurück. Zu kuratorischen Strategien bei Kollektivkunst Es hängt von den Formaten und den Kollektiven ab. Es ist wesentlich einfacher, mit einem Kollektiv zu arbeiten, das die Entscheidungen gemeinsam trägt, als mit Initiativen, in denen jedes Werk den einzelnen Künstler repräsentiert. Kuratorische Entscheidungen haben stark mit dem Raum zu tun: Wie entfaltet ein Werk an einer bestimmten Stelle seine Wirkung? Kollektivkunst macht nicht unbedingt eine andere Form der Präsentation erforderlich. Unser Dank an Boris Abel. | |||
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