Working Together in der Kunst der nächsten Gesellschaft?, 2010 |
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"Es kann auch ein Platzverweis erteilt werden. Dann darf man nicht platzen!" |
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Interview mit Leutnant Brot, Panzergranate Zora Rosa und Oberleutnant Betty Fox am 28.7.2009 im Garten des Künstlerhauses Bethanien, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin Schnittstelle Kunst/Politik/Aktionismus bekannt seit dem G8-Gipfel 2005 in Schottland Zahlreiche aktive Gruppen in England, Irland, Niederlande, Belgien, Frankreich, Dänemark, Israel, Österreich und Deutschland 15 bis 20 Berliner Clowns unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Berufe, 6 bis 8 im Kern politisch linksorientierte, anti-autoritäre Gruppe von Aktivisten, die sich als Clown verkleiden und mit gewaltfreien Aktionen z. B. gegen Globalisierungskapitalismus, Castor-Transporte, militärische Auseinandersetzungen oder eine sozialunverträgliche Wirtschaftsordnung protestieren http://www.clownarmy.org Illustration: Markues, 2010. Quellen: Flamingo, flickr cc by-sa Ernst Vikne, 2009; Grizzly Bear, flickr cc by chaser, 2005; Kolibri Archilochus-alexandri, wikipedia gnu, 2005; Pfau Pavo cristatus, wikipedia cc by-sa Jörg Hempel, 2007; Turkey Vulture, flickr cc by mikebaird, 2008. Anmerkung: Die Fragen und Antworten wurden in der Nachbearbeitung thematisch strukturiert und folgen nicht der Chronologie des Gespräches. Zu Ein- und Ausschlüssen Wir sind interplanetarisch und intergalaktisch organisiert, daher sind Grenzen für uns nicht existent. Es sei denn, wir müssen sie schützen - dann kann es schon mal passieren, dass wir Zäune aufbauen statt sie einzureißen. Zur Arbeitsweise Bethanien ist seit etwa einem Jahr unsere Homebase. Wir treffen uns jede Woche zum Üben, Trainieren, Planen, Auswerten von Aktionen, Ideensammeln. Im Sommer spielen wir draußen auf der Rasenfläche. Zur Gruppenzusammensetzung Wir machen alle politische Sachen, die aber sehr unterschiedlich sind. In Berlin sind wir etwa ein harter Kern von 6 bis 8 Leuten, die stetig und kontinuierlich dabei sind. Um diesen Kern gibt es einen potentiellen Stamm von etwa 15 Leuten mit größerer Fluktuation, weil viele junge Leute dabei sind, die studienbedingt unterwegs sind. Auf Demonstrationen finden dann die Zusammenführungen der einzelnen Gruppen statt. Wir sind unterschiedlichen Alters, kommen alle aus dem Bereich links, aber sonst aus sehr unterschiedlichen Ecken. Der Hintergrund anderer Aktionsformen ist von Person zu Person verschieden: Einige waren früher auf sog. Latsch-Demos und haben heute darauf keine Lust mehr. Dann gibt es welche, die machen parallel verschiedene Aktionsformen, dann wieder andere, die gar nicht politisch aktiv waren, bevor sie zu den Clowns kamen. Zur Arbeitsstruktur ...vom kleinen ins große und dann wieder zurück. Rebelclowns sind in ungefähr 30 Ländern weltweit aufgetaucht, manchmal nur für eine einzige Aktion: es gibt keine Vernetzung weltweit, innerhalb von Deutschland gab es bisher ungefähr 40 bis 45 Orte mit Rebellclown-Aktionen. Bestehende größere Gruppen gib es in 10 Städten, die dauerhaft über 3, 4 Jahre aktiv sind. Die berühmtesten sind die Kölner... Zur Arbeitsorganisation Wir treffen uns jeden Mittwoch und planen. Bei Aktionen mit Clowns in anderen Städten reden wir vorab entweder miteinander oder verabreden im mindesten einen gemeinsamen Treffpunkt, um uns dann in der Aktion aufeinander einzustimmen. Es gibt keine Hierarchien, es gibt keine wortführende Person, wir kommen zusammen und reden in der Gruppe. Für aufkommende Hierarchien gibt es Sensibilitäten, dies anzusprechen. Das hat oft auch damit zu tun, wer schon länger dabei ist oder wer neu dazu gekommen ist. Zur Autorenschaft Copyright gib es bei uns nicht. In der Berliner Gruppe spielen wir mit Rollen oder Clownstypen. Zum Beispiel haben wir den Black Nose Clown für Repressionen entwickelt, der ganz reduziert, in schwarz, mit schwarzer Nase, schwarzen Lippen und Sonnenbrille auftaucht, um die Situation zu kolportieren. Vielleicht kann man sagen, dass es sich dabei um eine künstlerische Überhöhung handelt - aber eine Idee gehört bei uns allen. Zu Aufgabenteilungen Aufgaben werden von allen übernommen. Aber die Leute haben unterschiedliche Kapazitäten, sind unterschiedlich lang dabei und haben unterschiedliche Erfahrungen. Wer neu dabei ist, wird nicht gleich alle Aufgaben auf sich nehmen. Es schleicht sich aber auch ein, dass manche mehr machen als andere, das wird dann aber thematisiert. Das ist vergleichbar mit anderen aktiven Gruppen: Bei einer Gruppenstärke von 30 Leuten haben drei, vier, fünf die Kontinuität und fühlen sich verantwortlich. Zur Programmatik Wir mögen keine Bühnen, wir stürmen sie! Bühnenclowning ist etwas komplett anderes. Wir sehen uns nicht als unterhaltende Clowns, bei uns geht es darum, Sachen, die absurd sind, durch Spiegelung bloßzustellen. Nicht wir produzieren die Gags, sondern wir zeigen kollektiv, wie schräg die Situation ist. Die Zielsetzung der Aktionen ist dabei jeweils unterschiedlich: Spannung rausnehmen, Autorität infrage stellen, Straßenblockaden unterstützen oder durchbrechen... Zu Entscheidungsfindungen 'Quick decision making' bedeutet: Je nach Situation hat man kurzfristig die Möglichkeit zu entscheiden, vorab zu gucken, wie es allen einzelnen geht, was für Vorschläge existieren, wie ist die Sicherheitslage... Zu technischem Support Bei Demos und Aktionen, bei denen es vielleicht krasser zugehen künnte, haben wir Kameraclowns dabei, die die Lage mit checken, weil wir uns oftmals verspielen und wir nicht immer alles mitkriegen, was sich um die Ecke anbahnt. Aber das ist eher selten. Zur Arbeitsweise Wir überlegen uns vorab: Wollen wir Passanten bespielen, um darauf aufmerksam zu machen, was da gerade los ist? Wollen wir eine Demobegleitung machen und Leute auf einer Demo bespielen? Wollen wir Polizisten bespielen, um sie abzulenken und ihre Autorität lächerlich zu machen? Wir sind sehr verspielt, wir spielen nur die Spiele, die uns Spaß machen. Danach richtet sich alles. Zu Arbeitswerkzeugen Es gibt Basics im Konzept, die von allen Clowns geteilt werden, darüber hinaus, was die Einzelgruppen unter sich ausmachen. In einem größeren Zusammenhang von Clowns, die nicht zu einer Gruppe gehören, sind die Spiele anders: sie sind weniger genau oder komplex durchgeplant. Dann greifen wir auf die Basics zurück. Die Basics stehen auf der Webseite clownarmy.org, z. B. wie ein Bootcamp aussieht, wie das Marschieren funktioniert, welche Ideen dahinter stehen... Das Basictraining ist nach der Webseite möglich oder durch persönliche Weitergabe. Leute können das Konzept erlernen und sich danach entweder unserer Gruppe anschließen oder eine eigene Gruppe gründen. Die Berliner Clowns Armee hat sich gegen eine Internetpräsenz entschieden, im "Stressfaktor" findet man die Ankündigung unserer Treffen. Am 1. Mittwoch des Monats ist unser Training, ein Testerday, für alle Leute, die interessiert sind. Mitgliederwerbung im Internet ist nicht unser Ding. Das Clownstheater liegt über der Diskussion, das ist eine höhere Form. Natürlich laufen zwischen uns Prozesse und ein Austausch, aber das ist nicht unser Ziel. Unser Ziel ist, in die höhere Form zu kommen und da wissen wir nicht genau, was das Internet für eine Funktion haben soll. Zu Ergebnissen kollektiver Arbeit Das Ergebnis ist eine doppelte Effektivität: der politische Aktionismus und die persönliche Entwicklung. Das Clownen hat uns alle persönlich weiter gebracht. Es verändert uns und wir probieren diese Art von Prozess auch ohne Clownsnase aus. Clownserfahrungen ziehen sich automatisch in das andere Leben rein. Ich habe z. B. Respekt vor Autoritäten verloren und ich kann über mehr Sachen lachen als früher. Zum Beispiel war es für Gorleben wichtig, dass wir die traurige Stimmung mit Farbe betupfen. Wichtig dabei ist auch, dass es keine finanziellen Interessen gibt. Und dann verbinden sich die persönliche Entwicklung, das Politische und das Künstlerische. Zu Entwicklungen kollektiver Arbeit Es hat die Entwicklung hin zu Konzepterweiterungen durch verschiedene Rollen gegeben: die Robocops, die Black Noses Clowns, die Wurstpartei... Unser Bestreben ist, mit einer eigenen Idee (Clownlogic) aufzutauchen und nicht nur verkleidete Demonstranten zu sein, die bunt sind und Stimmung machen. Zur Finanzierung kollektiver Arbeit Wir finanzieren uns kollektiv: Für Schminke gibt es eine Umlage bei allen Beteiligten, bei dem Material handelt es sich um Recycling. Zur Motivation Als Rebell(!)-Clown gehe ich davon aus, dass mein Handeln von kommerziellen Aspekten abgekoppelt sein sollte. Es gibt nichts, was umsonst zu haben ist. Dieser Impuls, etwas zu tun, ohne eine direkte Erwartung oder ein Hoffen auf Erfolg zu haben, ist etwas extrem Rares, und da schließen sich die drei Komponenten [das Persönliche, das Politische und das Künstlerische] kurz: Dieses Moment hat man auch in der Kunst und das macht den Clown aus, das er aus inneren Kräften das jetzt tun muss, oder wie Beuys sagte: zur richtigen Zeit am richtigen Ort das richtige zu Tun sei Kunst. Und genau das ist auch der politische Aspekt: sich gegen Kommerzialität zu wenden, etwas komplett anderes dagegen zusetzen, womit auch immer das gefüllt wird: Eine Verschweissung, die fast unmöglich ist und die an Grenzen geht, nämlich Kunst und Politik in eine Einheit zu bekommen - und dafür eignet sich der Clown sehr gut. Das Kollektive im Kollektiven Die Vielfalt von Aktionsformen ist effektiv: Clowning ist eine davon und es ist gut, dass es eine Bandbreite von politischem Aktionismus gibt. Unser Dank an Leutnant Brot, Panzergranate Zora Rosa und Oberleutnant Betty Fox. | |||
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