Working Together in der Kunst der nächsten Gesellschaft?, 2010 |
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"Basisdemokratie ist ein Idealismus, den man erst einmal implementieren muss." |
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Interview mit Wibke Behrens (Koordination), Benita Piechaczek (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) und Pedro Balvas am 29.7.2009 in der NGBK, Oranienstr. 25, 10999 Berlin gegründet 1969 als gemeinnütziger Verein in Berlin-Kreuzberg 860 Mitglieder, etwa 100 Aktive basisdemokratisches Kontextsystem, dessen Konfiguration gemeinschaftliche Kunstproduktion ermöglicht Die Vereinsmitglieder bilden Arbeitsgruppen (bestehend aus mind. 5 Personen) und stellen der Jahreshauptversammlung Projektvorschläge vor, die von dieser genehmigt werden müssen. Nach Beendigung der Projekte werden die Arbeitsgruppen wieder aufgelöst. 8 bis 10 Projekte im Jahr mit einem Gesamtbudget von eur 260.000,- (Deutsche Klassenlotterie Berlin) insgesamt eur 600.000,- inkl. Geschäftsstelle (5 bis 6 Angestellte für Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, Koordination, Kooperationen, Transporte und Versicherung, Buchhaltung, Sekretariat und Geschäftsführung) pro Projekt Budget von ca. eur 50.000,-, max. 10% Organisationshonorar http://ngbk.de Illustration: Markues, 2010. Quellen: Desert Textures, flickr cc by-nc-sa szeke, 2008; Skyscraper, flickr cc by-nc-sa Jungle_Boy, 2006. Anmerkung: Eine Veröffentlichung der auszugweisen Tanskription des Gespräches vom 29.07.2009 wurde von der Pressestelle der NGBK, Frau Benita Piechaczek, nicht autorisiert. Daher handelt es sich hier um eine protokollarische Zusammenfassung des Gespräches. Zur Arbeitskultur wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass es bei der Gründung der NGBK darum ging, ein neues, basisdemokratisches und nicht hierarchisches Konstrukt zu erdenken. Die Leute, die hier aktiv seien, würden sich für eine spezielle Form der Zusammenarbeit entscheiden. Diejenigen Arbeitsgruppen, die Projekte einreichen können, wären Mitglieder und müssten mindestens zu fünf sein, um Mehrheiten zu haben. D.h. dass die Leute in ihren Entscheidungen autonom seinen und über alles, was sie tun, diskutieren und Beschlüsse fassen müssten. Zur internen Struktur wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass es einerseits das monatliches Treffen, den Koordinationsausschuss, gäbe, der wichtige Entscheidungen innerhalb des Jahres träfe. Und dann gäbe es eine große Hauptversammlung pro Jahr mit 100 bis 120 Leuten, die über 10 bis 12 Stunden hinweg tagen und im Rahmen derer die Mitglieder ihre Projekte vorstellen würden. In einem Wahlsystem nach Punkten erteile die Hauptversammlung in zwei Wahldurchgängen die Aufträge an die Arbeitsgruppen. Die Hauptversammlung sei darüber in den Prozess des Jahresprogramms involviert und prüfe, ob die Ausstellung in einer inhaltlichen Kontinuität der letzten Jahrzehnte stehe. Alle Teilnehmer der NGBK und der Hauptversammlung hätten sich vorab entschieden, sich auf Mitbestimmungsrecht, Mitrederecht und Meinungsfreiheit einzulassen. Hierbei handele es sich nicht um einen lähmenden, sondern um einen sehr spannenden und politischen Prozess. Die Arbeitsgruppen seien in ihren inhaltlichen Entscheidungen autonom, in finanziellen Entscheidungen rechenschaftspflichtig, da es Kooperationspartner oder Geldgeber und damit Abhängigkeiten außerhalb des Vereins gäbe, auf die geachtet werden müssen. Zu den Finanzen wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass die Arbeitsgruppen für die Budgets selbst verantwortlich seien. Über die Auszahlung eigener Honorare müssten Beschlüsse gefasst werden, da mit der Geschäftsstelle der NGBK Honorarverträge geschlossen würden. Das Geld selbst würde von der Geschäftsstelle verwaltet: Die Gruppen bekämen ein eigenes Konto, jede Gruppe hat einen eigenen Finanzreferenten. Es würde unter den NGBK-Mitgliedern den ethischen Anspruch geben, dass geleistete Arbeit, auch von Praktikanten, entlohnt wird. Zur Online-Kommunikation wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass künftig auf der NGBK-Webseite ein Mitgliederbereich eingerichtet werde, um darüber die Möglichkeit anzubieten, sowohl innerhalb der Mitgliedschaft als auch außerhalb (z. B. bei der Suche nach Autoren) Kontakt aufzunehmen. Eine frühere Mailingliste, die zu Vernetzungen untereinander initiieren sollte, wurde nur sporadisch genutzt. Zur Selbstverwirklichung wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass die vielen freiberuflichen Mitglieder in der NGBK ihre Themen umzusetzen in der Lage wären, die sie an kein anderes Museum herantragen könnten. Hier könnten sie eigene inhaltliche Entscheidungen zu kuratorischen Belangen treffen. Daher würde auch die Arbeit in der NGBK zu einer ideelle Befriedigung führen. Die Grundidee sei, auf einer inhaltlichen Ebene und zwar in Form eines Ehrenamtes zusammenzuarbeiten und nicht, sich zu finanzieren. Zur inhaltlichen Programmatik wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass es nicht die Idee der NGBK sei, Künstler zu fördern oder deren Arbeiten auszustellen. Vielmehr erarbeiteten die Projektgruppen gemeinsam inhaltliche Konzepte. Jede Form eines sichtbaren und hörbaren Produktes sei dabei möglich, sofern es im Kern die Bildende Kunst betrifft. Hierbei handele es sich um eine Qualitätskontrolle, denn es geht der NGBK um einen Bildungsauftrag und nicht darum, die unterfinanzierte Künstlerförderung in Berlin aufzufangen. Zu den Arbeitsstrukturen wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass die Gruppenarbeiten sehr unterschiedlich verlaufen würden. Wenn es sich um ein bestehendes Kollektiv handele, hätten sich meist schon Arbeitsstrukturen herausgebildet. Bei neueren Konstellationen sei häufig Konfliktpotential zu beobachten, da die Aufgaben nicht geklärt seien oder sich doch Hierarchien einschlichen. Die Arbeitsgruppen würden gebeten, Protokolle zu fertigen, damit alle auf dem gleichen Informationsstand seien. Zur Diversität wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass ein so kontroverses Jahresprogramm wie die NGBK ein einzelnes Haus eigentlich nicht bestreiten könne. Denn eine Institution brauche ein klares Profil, einen Eyecatcher, ein Logo, eine Marke. Es müsse ganz klar sein, wofür das Haus steht. Bei der NGBK würde alles gehen, denn sie möchte gern wichtige Sachen, die gesellschaftlich relevant sind, in der Bildenden Kunst bearbeiten und sich nicht einschränken. Die Kollektivität der NGBK führe zu einer medialen, thematischen und inhaltlichen Vielfalt. Zum Feedback wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass die NGBK die einzige Institution mit der Möglichkeit sei, Geld für eine Projektidee zu beantragen und ein kurzfristiges und direktes Feedback zu bekommen. Zur NBGK als Vorbildmodell wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass es sowohl in Deutschland als auch international nichts Vergleichbares gebe. Die NGBK sei eine experimentelle Plattform, diese zu kopieren wäre sicher erstrebenswert, aber diejenigen, die die Experimente (zum Zeitpunkt der Gründung) finanzieren, ließen sich nicht darauf ein. Zu strukturellen In-/ Kompatibilitäten zwischen NGBK-Mitgliedern und anderen Institutionen wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass es für die Mitglieder wichtig sei zu wissen, sich in den eigenen Arbeitsprozessen an die Strukturen der anderen Seite anzugleichen. Wenn sich etwa die Arbeitsgruppe erst einmal zurück zöge und für drei Stunden diskutierten, kämen die Seiten nicht miteinander zurecht. Zur Urheberschaft wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass eine Idee durch eine Person entstünde, die sich dann im Schneeballsystem und durch Synergien formierten und schließlich zum NGBK-Antrag und zur Projektarbeit führten. Letztlich liege die Urheberschaft übergeordnet bei der NGBK, die finanziell dafür gerade stünde. Unsere beiden Gesprächspartnerinnen gaben uns den Rat, sich frühzeitig in Gruppenarbeiten dazu auseinander zu setzen, was passiere, wenn der Projektantrag nicht akzeptiert würde. Sie empfahlen uns, hierfür Vereinbarungen mündlicher Art zu treffen, sowohl für Kunstproduktionen als auch für Kunst zeigende Events. Zu basisdemokratischen Strukturen wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass bei sehr vielen Institutionen dringend die Strukturen reformiert werden müssten. Außerdem sei die 1:1-Auseinandersetzung in der NGBK sehr sympathisch, da bei anderen Auswahlverfahren oftmals weder die Jurymitglieder noch die Auswahlkriterien bekannt seien. Aber: "Basisdemokratie ist ein Idealismus, den man erst einmal implementieren muss." Zu den eigenen Hierarchien wiesen unsere beiden Gesprächspartnerinnen darauf hin, dass die Geschäftsstelle an die Geschäftsführerin weisungsgebunden sei und ihre Aufträge von den Arbeitsgruppen bekäme. Daher hätte die Geschäftsstelle nicht nur einen Arbeitgeber, sondern 869 Mitglieder, real 100 Aktive, mit dem Unterschied, dass sie mit diesen diskutieren und Ratschläge geben würden. Unser Dank an Wibke Behrens und Benita Piechaczek. | |||
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